Pflegeleicht

Täglich drehe ich meine Runden
Aus Minuten werden Stunden
Aus den Stunden werden Tage
Bis ich mich nachhause trage

Ab und an stirbt mal einer
Die Zahl der Bewohner kurz mal kleiner
Der Platz bleibt nicht lange leer
Schnell müssen neue Punkte her

Heute über gestern nachdenken
kannst du dir echt nur schenken
Trauer hat hier keinen Platz
Kann nicht sein, dass dir der Kragen platzt

Pflegeleicht sollst du sein
Nicht weinen und nicht traurig sein
Sterben gehört zu deinem Beruf
Geh doch jetzt auf den Patientenruf.

Okay, wie kann man das verkraften
Menschen verlieren ihr Leben und es wird kaum beachtet
Auch ich hab schon wen verloren
Alttestamentarisch den Schädel geschoren

Mein Gewand zerrissen
gerne einfach hingeschmissen
geheult, die Zähne geklappert
Nicht nur abgehackt und weitergeackert

Warum regst du dich so auf?
Woher kommt die Wut in deinem Bauch?
Ist doch nicht deine Mum, die da liegt
So ein Humbug, dass die Seele aus dem Fenster fliegt

Pflegeleicht sollst du sein
Nicht weinen und nicht traurig sein
Sterben gehört zu deinem Beruf
Geh doch jetzt auf den Patientenruf.

Erklär du mir, was bei dir flöten ging?
Bist nicht auch du jemandes Kind?
Hast du keinen, der dir was bedeutet?
Oder wie kommts, wird hier nur ausgebeutet?

So vieles haben wir verloren
die Fragen werden weiter bohren
kein Bezug zu unserem Gegenüber
Hey, komm, rutsch mal rüber.

Nun sitzen wir hier und hoffen
ganz still und doch betroffen
Dass es bei uns anders sein wird
wenn denn jemand von uns stirbt

Trag den Kittel nicht aus Gewohnheit,
Denn er gibt uns keine Hoheit
das alles ist unsere Realität
nichts, das vorübergeht.
Ich werde es sein, die da steht,
wenn jemand geht.

Pflegeleicht soll es sein
Darf berührend und auch tröstend sein
Sterben gehört zu meinen Beruf
Jetzt geh ich auf den Patientenruf.